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Sommer, Sonne, Klagezeit
Urlaub – und plötzlich ein Urteil im Briefkasten? Wer wichtige Post während der Abwesenheit unbeachtet lässt, riskiert böse Überraschungen. Gerichtliche Schreiben gelten als zugestellt, sobald sie durch den Postboten in den Hausbriefkasten eingelegt werden – Urlaub schützt nicht vor Fristversäumnissen. Um rechtliche Nachteile zu vermeiden, sollten Sie unbedingt Vorkehrungen treffen: Beauftragen Sie eine Person Ihres Vertrauens, regelmäßig den Briefkasten zu leeren und wichtige Post weiterzuleiten – so bleiben Sie auch während Ihrer Abwesenheit auf der sicheren Seite.
Der Sommerurlaub ist für viele eine willkommene Gelegenheit, um abzuschalten und neue Energie zu tanken. Doch manchmal wartet nach der Rückkehr keine Erholung, sondern eine böse Überraschung im Briefkasten – etwa ein gerichtliches Schreiben oder sogar ein Urteil. Besonders problematisch ist es, wenn wichtige Fristen bereits verstrichen sind. Dann kann es zu spät sein, um noch rechtswirksam zu reagieren.
Einem Arzt wird vorgeworfen ein Mammakarzinom fehlerhaft nicht erkannt zu haben. Die Brust musste entfernt werden. Es wurde jedoch außergerichtlich durch einen Gutachter festgestellt, dass eine brusterhaltende Operation zu keinem Zeitpunkt eine vertretbare Behandlungsalternative dargestellt hätte und der Patientin somit kein Schaden aus der vermeintlich fehlerhaften Behandlung entstanden ist. Die Ansprüche wurden von dem zuständigen Berufshaftpflichtversicherer außergerichtlich daher als unbegründet zurückgewiesen.
6 Monate später wird dem Arzt ein Versäumnisurteil zugestellt, welches er an seinen Berufshaftpflichtversicherer weiterleitet. Er wurde verurteilt an die Patientin 150.000,- € zu zahlen, aufgrund des vermeintlich zu spät diagnostizierten Mammakarzinoms.
Das Versäumnisurteil hatte er nach seinem dreiwöchigen Sommerurlaub in seinem Briefkasten gefunden. Er war völlig überrascht – da er von der vorher zugestellten Klage keine Kenntnis gehabt hatte. Das Versäumnisurteil war in der ersten Woche seiner Abwesenheit zugestellt worden, sodass die Einspruchsfrist von zwei Wochen bereits abgelaufen war. Das Urteil war damit rechtskräftig geworden.
Der Arzt wurde, obwohl eigentlich keine Haftung gegeben war, zu einem Schmerzensgeld von 150.000,-€ verurteilt.
Wenn ein Gericht ein wichtiges Schriftstück (z. B. eine Klage, ein Mahnbescheid oder ein Urteil) verschickt, geschieht das per Postzustellungsurkunde. Diese Form der Zustellung dient dem Gericht als Nachweis, dass das Dokument dem Empfänger zugegangen ist. Diese sog. gesetzliche Zustellungsfiktion (§§ 180, 182 ZPO) soll gewährleisten, dass gerichtliche Verfahren nicht durch persönliche Umstände des Empfängers verzögert werden.
Bei der Zustellung mittels Postzustellungsurkunde wird das Schriftstück ordnungsgemäß in den Hausbriefkasten eingelegt, dabei wird das Zustelldatum durch den Postzusteller auf der Zustellungsurkunde vermerkt und ist rechtlich bindend.
Das Schriftstück gilt ab diesem Zeitpunkt als zugestellt.
Ein häufiger Irrtum ist, dass Fristen nur dann laufen, wenn der Empfänger ein Schreiben tatsächlich zur Kenntnis nimmt. Dem ist nicht so. Auch während einer längeren Abwesenheit – etwa im Urlaub, Dienstreise o.ä. – entfaltet die Zustellung rechtlicher Dokumente ihre volle Wirkung.
Im deutschen Recht muss also jede am Rechtsverkehr teilnehmende Person oder Institution Vorkehrungen treffen, um sicherzustellen, dass wichtige Post während einer Abwesenheit nicht unbeachtet bleibt.
Im Falle eines Versäumnisurteils reicht es für eine Verurteilung aus, wenn der Vortrag der klagenden Partei nachvollziehbar ist. Dann wird der Vortrag als unstreitig behandelt, da vom Beklagten keine Reaktion erfolgt.
So kam es im vorliegenden Fall zu einer Verurteilung, obwohl bei genauerer Prüfung der Gegenargumente gerade keine Haftung bestand. Das Versäumnisurteil wurde, mangels rechtzeitigem Einspruch, rechtskräftig.
Treffen Sie Vorkehrungen, um sicherzustellen, dass bei Urlaub oder sonstiger Abwesenheit keine wichtige Post ungelesen liegen bleibt!
Bevollmächtigen Sie eine Person Ihres Vertrauens, z. B. Nachbarn, Freunde oder Mitarbeiter, welche regelmäßig den Briefkasten leert und wichtige Post sichtet. Die bevollmächtigte Person muss im Notfall für Sie reagieren können.
Denken Sie auch an alle Nebenbriefkästen (z. B. wennSie die Praxis und die privaten Wohnung in einem Haus haben).
Denn Postkontrolle ist Pflicht – auch (und gerade) im Urlaub.
Autor:
Susanne Vlaminck, Rechtsanwältn (Syndikusrechtsanwältin)