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Umfassende Konzentrationswirkung nach BImschG auch bei fingierter Änderungsgenehmigung einer Windkraftanlage – Auswirkungen auf die Praxis

Urteil vom 25. 03. 2025 – 7 A 51/24 (KlimR 2025, 191)

Keine zusätzliche Baugenehmigung bei immissionsschutzrechtlicher Änderungsgenehmigung

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Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin Brandenburg hat in einer für die Praxis äußerst relevanten Entscheidung klargestellt: Erteilt die Behörde eine immissionsschutzrechtliche Änderungsgenehmigung für ein bereits genehmigtes Windenergie Vorhaben nach § 16b Abs. 7 Satz 3, Abs. 8 BImSchG – auch kraft Genehmigungsfiktion –, dann wirkt diese zusammen mit der Ausgangsgenehmigung konzentrationsrechtlich gemäß § 13 BImSchG. Konsequenz: Es ist keine zusätzliche Baugenehmigung nötig. Damit grenzt das Gericht die Änderungsgenehmigung scharf vom Anzeigeverfahren des § 15 BImSchG ab, das keine Konzentrationswirkung entfaltet. So lautet – inhaltlich verdichtet – der amtliche Leitsatz.

Hieraus ergibt sich mehr als eine dogmatische Formalie: Für Windkraft-Projekte (und ggf. andere Anlagen), die im Bestand angepasst werden (neuer Anlagentyp, geringe Standortverschiebung, kleine Höhenänderung), entfallen insofern ggf. doppelte Verfahrensschleifen mit einhergehenden Genehmigungsrisiken (vor allem im Hinblick auf Dritt- und Nachbarwidersprüche).

Der Sachverhalt: Standortverschiebung und Änderung von zwei genehmigten Windenergieanlagen

Die Klägerin plante Änderungen an zwei bereits genehmigten Windenergieanlagen. Es ging um geringfügige Parameter: Standortverschiebung ≤ 8 m, Erhöhung der Gesamthöhe ≤ 20 m, Verringerung des Rotordurchlaufs ≤ 8 m. Am 3. Juli 2024 beantragte sie die Änderung; durch Eintritt der Genehmigungsfiktion entstand die Änderungsgenehmigung. Die Bauaufsichtsbehörde hielt dennoch eine zusätzliche Baugenehmigung für erforderlich. Die Klägerin ließ nun gerichtlich feststellen: Einer zusätzlichen Baugenehmigung für die neuen Anlagen bedarf es nicht.

Prozessualer Rahmen – welches Rechtsmittel war zulässig?

Das OVG differenziert hinsichtlich der prozessualen Rechtsmittel:

  • Anfechtungsantrag (als Untätigkeitsklage, § 75 VwGO): Ein solcher war hier unzulässig. Der Grund: Die bloße behördliche Äußerung – die hier vorlag – seitens der Bauaufsichtsbehörde es sei angeblich eine „Baugenehmigung erforderlich“ ist kein Verwaltungsakt im Sinne von § 35 VwVfG (i. V. m. § 1 VwVfGBbg). Es fehle insofern an der – für eine Anfechtsklage – notwendigen Regelungswirkung.
  • Feststellungsantrag (§ 43 Abs. 1 VwGO): Dieser war zulässig. Zwischen den Beteiligten besteht ein konkretes Rechtsverhältnis (Streit über die Notwendigkeit der Baugenehmigung). Die Klägerin hat insofern ein schutzwürdiges Interesse: Ohne Klärung drohen entweder bauaufsichtliche Maßnahmen bei Baubeginn oder Projektverzögerungen bei Einholung einer Baugenehmigung oder ggf. auch die oben angesprochenen Genehmigungsrisiken. Dies genügt (ständige Rspr.; vgl. auch BVerwG, Beschl. v. 24.09.2024 – 6 B 10.24 – juris Rn. 12).

Die tragende Begründung – drei Bausteine

Erstens: Die Konzentrationswirkung des § 13 BImSchG gilt auch für die Änderungsgenehmigung

Kern der Entscheidung ist: § 13 BImSchG bündelt andere die Anlage betreffende behördliche Entscheidungen im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren. Diese Entscheidungs , Verfahrens und Zuständigkeitskonzentration gilt für alle Genehmigungen, also auch für die Änderungsgenehmigung – und zwar selbst dann, wenn sie fingiert ist (§ 16b Abs. 9 BImSchG). Der Erlass gesonderter Zulassungen – etwa einer Baugenehmigung – ist dann unzulässig. Dies stützt das OVG auf die neuere Rechtsprechung des BVerwG (8.11.2022 – 7 C 7.21, juris Rn. 35).

Für die Fiktion verweist das Gericht darauf, dass eine fiktive Genehmigung verfahrensrechtlich und prozessual wie eine echte zu behandeln ist (vgl. OVG Saarlouis, 9.3.2006 – 2 R 8/05, juris Rn. 31).

Zweitens: Abgrenzung zu § 15 BImSchG: Der gravierende Unterschied zur Anzeige bzw. Freistellung

Das Anzeigeverfahren nach § 15 BImSchG kennt nur eine Freistellungserklärung – keine Genehmigung –, daher keine Konzentrationswirkung (BVerwG, 7.8.2012 – 7 C 7.11, juris Rn. 19 und Rn. 13). Genau diese materielle Legalisierungswirkung fehlt § 15. Wer im § 15 Korridor bleibt, muss also zusätzliche fachrechtliche Erlaubnisse (z. B. baurechtliche) noch einholen. Das Änderungsgenehmigungsverfahren nach § 16b Abs. 7 Satz 3 ist dagegen ein Genehmigungsverfahren – nur mit reduziertem Prüfprogramm –, weshalb § 13 BImSchG greift. Die Gesetzesmaterialien bestätigen diese Trennung: Ein Vorschlag des Bundesrates, klarzustellen „Die Anwendung des § 15 bleibt unberührt“, wurde von der Bundesregierung als entbehrlich abgelehnt (BT Drs. 20/7502, S. 22; 50 f.).

Drittens: Reduziertes Prüfprogramm bedeutet nicht den Verlust der Legalisierungs und Konzentrationswirkung

§ 16b Abs. 7 Satz 3 i. V. m. Abs. 8 BImSchG reduziert das Prüfprogramm der Behörde. Damit kann es vorkommen, dass materiell rechtliche Anforderungen (z. B. Abstandsflächen, Brandschutz, Forstrecht, in Einzelfällen sogar Planungsrecht) nicht erneut vertieft geprüft werden. Das OVG benennt dieses Spannungsverhältnis ausdrücklich. Doch die Lösung liegt insofern nach der gesetzlichen Systematik nicht in einer vorgelagerten Baugenehmigung, sondern in den nachträglichen Korrektur-Instrumenten: nachträgliche Anordnungen und Überwachung (§§ 17, 20, 21 BImSchG), Fachrecht (z. B. §§ 16, 16a LuftVG), Gefahrenabwehrrecht sowie – wenn nötig – Rücknahme/Widerruf der Änderungsgenehmigung bei materiellen Rechtsverstößen.

Die Änderungsgenehmigung verschmilzt insofern mit der Ausgangsgenehmigung und partizipiert an deren Konzentrationswirkung; das Beschleunigungsziel wird zusätzlich durch § 2 EEG getragen.

Praktische Folgen – Kernthesen

Für Vorhabenträger (Projektierer, Betreiber):

  • Keine zusätzliche Baugenehmigung, wenn die Änderung im § 16b Korridor liegt und eine Änderungsgenehmigung – auch fingiert (§ 16b Abs. 9 BImSchG) – vorliegt.
  • Einhaltung der numerischen Kriterien, wie hier z. B. Parametergrenzen Parametergrenzen wie ≤ 8 m Standortverschiebung; ≤ 20 m Gesamthöhenänderung; ≤ 8 m Rotordurchlauf Änderung; dies stets auf Basis der Einzelfallprüfung nach aktueller örtlicher Rechtslage.), ferner Dokumentation, dass alle schutzwürdigen Belange bereits in der Ausgangsgenehmigung behandelt wurden.
  • „Ex post Risiken“: Falls die Änderung materielle Konflikte erzeugt (Abstandsflächen, Brandschutz, Forst), muss ggf. mit nachträglichen Anordnungen (§§ 17, 20, 21 BImSchG) oder fachspezifischen Auflagen gerechnet werden. Proaktivität zur präventiven Konfliktvermeidung sollte insofern von Vornherein in Betracht gezogen werden.

Für Bauaufsichtsbehörden:

  • Es bedarf keiner zusätzlichen Baugenehmigung, wenn eine Änderungsgenehmigung nach § 16b vorliegt. Eventuelle materielle Risiken und Konflikte müssen stattdessen über Immissionsschutz Nebenbestimmungen, nachträgliche Anordnungen oder das Fachrecht gesteuert werden.

Für Planer (insbesondere Brandschutz):

  • Von besonderer Wichtigkeit im Rahmen der Prüfung ist, ob der neue Anlagentyp die Brandschutzkonzeption berührt (z. B. veränderte Rettungswege, Materialanforderungen, Löschkonzepte) – nicht, weil eine Baugenehmigung gebraucht würde, sondern um ex post Eingriffe zu vermeiden. Das Urteil nennt den Brandschutz ausdrücklich als sensiblen Punkt.

Fazit und Ausblick

Die Entscheidung überzeugt dogmatisch und praktisch. Sie wahrt die Grenze zwischen § 15 Anzeige und § 16b Genehmigung und nimmt die Beschleunigungsambition des Gesetzgebers ernst. Sollte das BVerwG die Linie bestätigen, schafft das bundesweit Rechtssicherheit für Repowering und Bestandsanpassungen von Windenergieanlagen – ohne die materielle Kontrolle preiszugeben. Bis dahin ist das Urteil des OVG Berlin Brandenburg eine robuste Argumentationsgrundlage für Verfahren, in denen Behörden noch reflexartig zur „zusätzlichen Baugenehmigung“ greifen möchten.

Autor:

Dr. Till Fischer
Rechtsanwalt, Salary Partner
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
Fachplaner für vorbeugenden Brandschutz
Berlin
Till.Fischer@leinemann-partner.de

Fotos: Ken Schluchtmann, diephotodesigner.de