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Aktuelle rechtliche Entwicklungen im Architekten- und Ingenieurrecht im Haftungsrecht
In der dynamischen Welt des Baurechts sind Architekten und Ingenieure stets gefordert, den Überblick über aktuelle rechtliche Entwicklungen zu behalten. Eine Reihe von Gerichtsentscheidungen der jüngsten Zeit hat dabei besonders relevante Aspekte im Haftungsrecht hervorgehoben, insbesondere im Bereich der Bauüberwachung, Verjährung, fehlerhaften Planung, Rechnungsprüfung, Verzögerung und Berufspflichten. Architekten und Ingenieure sollten sich kontinuierlich über neue Entwicklungen informieren, um ihre Berufsausübung auf dem neuesten Stand des Rechts zu halten. Im Folgenden werden einige dieser Entscheidungen näher beleuchtet:
Haftung des Architekten bei Bauüberwachung
In einer weiteren jüngsten Entscheidung des Bundesgerichtshofs wurde der Architekt in einem Bauvorhaben mit Leistungen der Leistungsphase 5–9 HOAI beauftragt. Der Bauherr verklagte ihn anschließend für Überwachungsfehler wegen Baumängeln. Die Bodenbleche der Balkone verfügten nicht über ein Gefälle von 1,5 %, was zu Rost und Zinkausblühungen führte. Der Architekt stritt eine Pflichtverletzung ab, die Ursache läge in einer ungenügenden Zinkschichtdecke.
Der Bundesgerichtshof entschied, dass der Architekt im Rahmen der Bauüberwachung aus Leistungsphase 8 HOAI verpflichtet sei, das Gefälle von Balkon-Bodenblechen unmittelbar nach ihrer Errichtung zu überprüfen. Falle ihm nicht auf, dass entgegen der von ihm selbst erstellten Detailplanung kein ausreichendes Gefälle vorhanden sei, liege ein zum Schadensersatz verpflichtender Bauüberwachungsfehler vor. Bei den hier in Rede stehenden Arbeiten handele es sich um überwachungsintensive Bauabschnitte. Daher müsse der Architekt erhöhte Aufmerksamkeit walten lassen. Zeige sich ein solch schwerwiegender Mangel am Bauwerk, spreche zudem ein Anscheinsbeweis bereits für eine Verletzung der Bauüberwachungspflicht. Der Architekt müsse daher den Anscheinsbeweis widerlegen und nachweisen, dass er diese Überwachungsmaßnahmen geleistet habe, was in der Regel schwer fallen dürfte. (BGH, Beschluss vom 24.05.2023 – VII ZR 163/20)
In einer Entscheidung Ende des Jahres 2023 klärte der Bundesgerichtshof eine seit Jahren stark umstrittene Frage hinsichtlich der Verjährung von Kaufpreisansprüchen aus Bauträgerverträgen. Der Bauträger verlangte von Erwerbern einer Eigentumswohnung die letzte Rate aus dem Bauträgervertrag. Die Erwerber wendeten dagegen ein, dass dieser Anspruch bereits verjährt sei. Mangels anderweitiger Vereinbarungen aus dem Bauträgervertrag gelte für den Kaufpreisanspruch des Bauträgers die 10-jährige Verjährungsfrist gem. § 196 BGB. (BGH, Urteil vom 07.12.2023 – VII ZR 231/22)
In einem Rechtsstreit vor dem Oberlandesgericht München machte ein Architekt für seine offenen Honoraransprüche einen Anspruch auf Sicherheit nach § 648a I 1 BGB a.F. (jetzt § 650f I 1 BGB) geltend. Das Ausgangsgericht sah den Anspruch als verjährt, da die Verjährung im Wege einer Gesamtrechtsanalogie zu den §§ 604 V, 695 S. 2, 696 S. 3 BGB taggenau ab dem ersten Sicherheitsverlangen zu berechnen sei. Das Oberlandesgericht hob die Entscheidung auf. Eine Analogie sei hier unzulässig, der § 199 I BGB dürfe in seiner Anwendbarkeit nicht verdrängt werden. Die Verjährungsfrist für diesen Anspruch beginne somit nicht mit dem Verlangen des Unternehmers auf Sicherheitsleistung, sondern erst am Schluss des Jahres, in dem der Unternehmer die Sicherheit verlangen kann. (OLG München, Urteil vom 21.11.2023 – 9 U 301/23)
Ein interessantes Urteil des Bundesgerichtshofs beleuchtet die Thematik der Genehmigungsplanung und des Honoraranspruchs des Architekten, insbesondere wenn von den ursprünglichen Planvorgaben abgewichen wird.
Der Auftraggeber beauftragte ein Planungsbüro mit der Erstellung einer Genehmigungsplanung hinsichtlich eines mit einem Bürogebäude zu bebauenden Grundstücks. Die Antragsplanung sah eine höhere Baumassenanzahl vor, als im Bebauungsplan vorgesehen war. Die Baubehörde verweigerte die Genehmigung für die erhöhte Baumassenanzahl. Daraufhin weigerte sich der Auftraggeber, das für die Genehmigungsplanung vom Architekten in Rechnung gestellte Honorar zu zahlen, da er den Entwurf für mangelhaft hielt.
Der BGH stellte fest, dass der Architekt grundsätzlich zur Erstellung einer genehmigungsfähigen Planung verpflichtet ist. Jedoch liege dann kein mangelhafter Entwurf vor, wenn der AG entgegen den Vorgaben des Bebauungsplans eine abweichende Planung wünscht und von einer Ausnahmegenehmigung ausgeht. Der Architekt hat den Auftraggeber hierauf jedoch ausdrücklich hinzuweisen. In solchen Fällen trägt der Auftraggeber das Risiko.(BGH, Beschluss vom 19.07.2023 – VII ZR 216/22)
Eine weitere kürzlich ergangene Entscheidung des Bundesgerichtshofs behandelt die Frage der Haftung des Architekten bei fehlerhafter Rechnungsprüfung. Hier verlangte der Auftraggeber Schadensersatz vom Architekten aufgrund einer fehlerhaften Rechnungsprüfung, die zu einer Überzahlung beim Werkunternehmer führte. Der BGH entschied, dass ein Schaden des Auftraggebers bereits dann entsteht, wenn ein Fehler des Architekten bei der Rechnungsprüfung vorliegt, unabhängig davon, ob der Rückforderungsanspruch gegen das ausführende Unternehmen Erfolg hat. Der Architekt kann direkt in Anspruch genommen werden, jedoch nur Zug um Zug gegen Abtretung des Herausgabeanspruchs gegenüber dem Bauunternehmer. Dies entspreche dem Rechtsgedanken des § 255 BGB, wonach ein Geschädigter vom Schädiger in der Regel auch dann vollen Wertersatz verlangen kann, wenn ihm zugleich ein Dritter Herausgabe oder Rückgewähr schulde. Ungeklärt bleibt, ob ein Gesamtschuldverhältnis besteht, wenn der Auftraggeber sowohl gegen den Architekten als auch gegen den Bauunternehmer fällige Ansprüche hat. (BGH, Beschluss vom 15.03. 2023 – VII ZR 449/21)
Das Urteil des Oberlandesgerichts Dresden vom 24.10.2023 betrifft die Frage des Schadensersatzes wegen Planungsverzögerung und die Festlegung von Terminen im Architektenvertrag.
In diesem Fall klagte der Auftraggeber auf Schadensersatz wegen Planungsverzögerung, doch der Architektenvertrag enthielt keine verbindlichen Termine, sondern lediglich die Absprache, dass diese noch erfolgen würden. Das Gericht entschied, dass die Erwähnung von Fertigstellungszeitpunkten in E-Mails keine verbindliche Festlegung darstelle. Ein Schadensersatzanspruch setze voraus, dass verbindliche Termine schuldhaft überschritten wurden. Verzögerungen aufgrund von Änderungswünschen des Bauherrn gelten nicht als schuldhaft. Einem Bauherrn ist also zu raten bei Vertragsschluss verbindliche Zwischen- und Fertigstellungstermine zu vereinbaren. (OLG Dresden, Urteil vom 24.10.2023 – 6 U 2544/22)
Berufspflichten
Autor:
Dr. Andreas Kästner
Rechtsanwalt
Römermann Rechtsanwälte AG, Standort Berlin
andreas.kaestner@roemermann.com