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„Showstopper“ Berufsbildklausel? Die Berufsbildklausel in der Berufs- Haftpflichtversicherung der Architekten und Ingenieure
Im Baubereich spielen Architekten und Ingenieure eine entscheidende Rolle bei der Planung und Realisierung von Bauprojekten.
Die Umschreibung, was zu den Berufsaufgaben gehört, definieren u. a. die Gesetze der Länder. Hiernach ist z. B. Berufsaufgabe bei Architekten die gestaltende, technische und ökologische, soziale und wirtschaftliche Planung von Bauwerken/Städten. Zu den Berufsaufgaben gehören die Beratung, Betreuung und Vertretung des Auftraggebers, Arbeitgebers oder Dienstherrn in allen die Planung, Ausführung und Überwachung eines Vorhabens betreffenden Angelegenheiten. Darüber hinaus auch Sachverständigen-, Lehr-, Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten.
Eine abschließende Aufzählung, was zum Berufsbild gehört und damit Hauptaufgabe ist, gibt es allerdings nicht, da die Berufsbilder stetigen Veränderungen unterworfen sind. Im Rahmen der Berufs-Haftpflichtversicherung orientiert man sich im Hinblick auf die versicherten Tätigkeiten des Berufsbildes u.a. an dem, was z. B. in den Architekten- oder Ingenieurgesetzen und Berufsordnungen der Länder definiert ist, aber auch die HOAI kann ergänzend als Orientierung herangezogen werden. Zu bedenken ist, dass die Berufsbilder und die damit verbundenen Tätigkeiten nicht statisch sind, sondern dynamischen Entwicklungen unterliegen. Die Berufsbilder können sich durch neue Gesetze oder auch Rechtsprechung verändern, wodurch auch eine Veränderung des Versicherungsschutzes erfolgen kann. Aufgabenerweiterungen durch z. B. neue Gesetze oder gerichtliche Entscheidungen in Bezug auf das Berufsbild, sind vom Versicherungsschutz umfasst.
Im Rahmen der GDV Musterbedingungen für die Berufshaftpflichtversicherung von Architekten, Bauingenieuren (AVB Arch/Ing.) ist als versichertes Risiko folgendes beschrieben:
„Versichert ist im Umfang der nachfolgenden Bestimmungen die gesetzliche Haftpflicht des Versicherungsnehmers aus der im Versicherungsschein und seinen Nachträgen beschriebenen freiberuflichen Tätigkeit im Rahmen seines Berufsbildes“.
Der Versicherungsschutz richtet sich daher nach im Versicherungsschein beschriebenen Tätigkeiten oder Berufsbildern. Ist dort z. B. ausdrücklich nur die Tätigkeit als Innenarchitekt aufgenommen, besteht für Leistungen als Architekt kein Versicherungsschutz. Ist im Versicherungsschein ausschließlich das Berufsbild Gutachter/Sachverständiger aufgenommen, besteht ebenfalls kein Versicherungsschutz für z. B. Leistungen als Bauingenieur – unabhängig davon, ob der Versicherungsnehmer grundsätzlich diese Qualifikation besitzt. Versichert sind alle Tätigkeiten, die zum Berufsbild gehören.
Darüber hinaus muss es sich um eine freiberufliche Tätigkeit handeln, die neben z. B. einem eigenen Architektur-/Ingenieurbüro auch freiberufliche Nebentätigkeiten eines angestellten oder beamteten Architekten/Ingenieurs unter bestimmten Voraussetzungen umfassen kann. Freiberuflich und damit „unabhängig tätig ist, wer weder eigene noch fremde Produktions-, Handels- oder Lieferinteressen verfolgt, die unmittelbar oder mittelbar im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit steht“. Leistungen außerhalb der freiberuflichen Tätigkeiten gehören nicht zum versicherten Risiko.
In den GDV-Musterbedingungen6 ist weiterhin die sogenannte „Berufsbildklausel“ geregelt:
A1-3.5
Kein Versicherungsschutz besteht für Ansprüche, die daraus resultieren, dass der Versicherungsnehmer Verpflichtungen übernimmt, die über die im Versicherungsschein und seinen Nachträgen beschriebenen Tätigkeiten/Berufsbilder hinausgehen.
Insoweit ist die gesamte Berufshaftpflicht nicht versichert.
A1-3.5.1
Dies ist besondere dann der Fall, wenn der Versicherungsnehmer
a) Bauten ganz oder teilweise erstellt oder erstellen lässt (z. B. als Bauherr, Bauträger, Generalunternehmer);
b) selbst Bauleistungen erbringt oder erbringen lässt (z. B. als Generalunternehmer, Unternehmer) oder
c) Baustoffe liefert oder liefern lässt (z. B. als Hersteller, Händler)
A1–3.5.2
Der Versicherungsschutz besteht auch dann nicht, wenn die unter A1-3.5.1 genannten Voraussetzungen gegeben sind
a) in der Person eines Angehörigen des Versicherungsnehmers gemäß A1-7.7;
b) in der Person eines Geschäftsführers, Gesellschafters oder Partners i.S.d. PartGG des Versicherungsnehmers oder deren Angehörigen;
c) bei Unternehmen, die vom Versicherungsnehmer oder den in a) oder b) genannten Personen geleitet werden, die ihnen gehören oder an denen sie beteiligt sind. Das Gleiche gilt, wenn eine Beteiligung an diesen Unternehmen über Dritte besteht oder bestand (indirekte Beteiligung) oder
d) bei juristischen oder natürlichen Personen, sie am Versicherungsnehmer beteiligt sind. Eine Beteiligung im Sinne von A1–3.5.2 c) und d) liegt insbesondere bei wirtschaftlicher, personeller, rechtlicher und/oder finanzieller Verflechtung vor.
Die Berufsbildklausel in der Berufs-Haftpflichtversicherung der Architekten und Ingenieure ist eine wichtige Einschränkung, die in allen Versicherungsbedingungen zu finden ist. Sie begrenzt den Versicherungsschutz auf diejenigen Tätigkeiten, die dem versicherten Berufsbild entsprechen. Negativ beschrieben ist damit das Bauen als vermeiden, indem sie definiert, welche Tätigkeiten von der Versicherung abgedeckt sind und welche nicht.
Bauherr, Bauträger oder Generalübernehmer sowie die eigene Erbringung von Bauleistungen. Unter den Versicherungsschutz fallen daher nur Leistungen, soweit diese im fremden Namen und für fremde Rechnung erbracht werden. Die Berufsbildklausel besagt, dass der Architekt / Ingenieur von Ausführungs-, Herstellungs-, Liefer- und sonstigen wirtschaftlichen Interessen unabhängig sein muss. Eine nicht unter den Versicherungsschutz fallende Konstellation wäre also z. B., wenn ein Architekt an einer Bauträgergesellschaft beteiligt ist. Es gibt mehrere Gründe, warum diese Einschränkung existiert. Auf der einen Seite gibt die Berufsbildklausel das wieder, was in den Ländergesetzen hinsichtlich einer freiberuflichen Tätigkeit aufgeführt ist. Auf der anderen Seite birgt die gleichzeitige Beteiligung an Planung und Ausführung auch Interessenkonflikte. Sinn der Klausel ist es, eine Verflechtung zwischen Architektenleistung und Bauleistung – dem Unternehmerrisiko – zu verhindern. Die Berufsbildklausel sorgt für eine klare Abgrenzung der Versicherungsleistungen. Sie hilft, Missverständnisse und Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden, indem sie definiert, welche Tätigkeiten von der Versicherung abgedeckt sind und welche nicht.
Insgesamt dient die Berufsbildklausel in der Berufs-Haftpflichtversicherung der Architekten und Ingenieure daher dazu, klare Grenzen für den Versicherungsschutz zu setzen.
Was bedeutet die Berufsbildklausel?
Geringfügige Lieferungen von Baustoffen bzw. unmaßgebliche Beteiligungen an Unternehmen sind jedoch für den Versicherungsschutz unschädlich. Soweit die Voraussetzungen bei einem einzelnen Bauvorhaben gegeben sind, wird der Versicherungsschutz für andere Bauvorhaben auch nicht berührt.
Die Berufsbildklausel gilt auch als erfüllt, wenn die beschriebenen Tätigkeiten durch einen Angehörigen oder Geschäftsführer o. ä. des Versicherungsnehmers oder ein Unternehmen erbracht werden, das der Versicherungsnehmer bzw. eine der zuvor genannten Personen leitet oder an dem dieser beteiligt ist. Beteiligung wird definiert mit wirtschaftlicher, personeller, rechtlicher und/oder finanzieller Verflechtung. Diese sogenannte „Verflechtungsklausel“ erfasst somit auch die Fälle, in denen nur eine mittelbare Beteiligung des Versicherungsnehmers vorliegt und soll verhindern, dass der Ausschluss umgangen wird. Beispiel: Der Architekt plant für ein Bauunternehmen, bei dem seine Ehefrau Geschäftsführerin ist.
Eine Ausnahme von der Berufsbildklausel bieten einige Versicherer am Markt für Bauvorhaben an, bei denen z. B. der Architekt oder Ingenieur als Versicherungsnehmer oder der Ehepartner selbst privater Bauherr (nicht Bauträger) ist. Hier besteht Versicherungsschutz für die gesetzliche Haftpflicht aus der beruflichen Tätigkeit als Architekt oder Ingenieur und auch für die gesetzliche Haftpflicht als Bauherr. Nicht unter den Versicherungsschutz fallen allerdings Schäden an dem (eigenen) Objekt selber sowie die daraus resultierenden Vermögensfolgeschäden.
Einige Versicherer am Markt bieten seit einigen Jahren eine modifizierte Berufsbildklausel an, in der gewisse Beteiligungsquoten als unschädlich für den Versicherungsnehmer angesehen werden. Hiernach ist z. B. eine Beteiligung am Bauträger/Generalübernehmer oder am Bauwerk bis zu einer gewissen Grenze unschädlich für den Versicherungsschutz.
Dies wird teilweise auch für die Lieferung von Baustoffen oder Einrichtungsgegenständen angeboten, soweit der Lieferanteil einen gewissen Prozentsatz des objektbezogenen Honorars nicht übersteigt. Dies soll jedoch nicht gelten, wenn die zu liefernden Baustoffe für ein konkretes Bauvorhaben individuell geplant wurden. Schäden im Zusammenhang mit gelieferten Baustoffen oder Einrichtungsgegenständen sind ebenfalls in der Regel nicht mitversichert.
Soweit der Versicherungsnehmer selbst Bauleistungen auf Basis eines separaten Werkvertrages erbringt, wird auch hier von einigen Versicherern eine Lockerung der Berufsbildklausel angeboten, soweit eine gewisse Grenze des Gesamthodenorars für das konkrete Bauvorhaben nicht überschritten werden. Schäden im Zusammenhang mit den selbst erbrachten Bauleistungen sind hierbei nicht vom Versicherungsschutz umfasst.
Wie oben am Beispiel der GDV-Musterbedingungen dargestellt ergibt sich bei der Berufsbildüberschreitung eine „absolute Nullstellung“ für den Versicherungsschutz. Mit der „Öffnung“ will man diese absolute Nullstellung aufbrechen. Unberührt bleibt damit aber die Tatsache, dass die Berufs-Haftpflichtversicherung eine Drittschadendeckung ist. Mit der Erklärung, dass z. B. eine gewisse prozentuale Beteiligung am Bauträger/Generalübernehmer nicht zur kompletten Versagung des Versicherungsschutzes im Schadenfall führt, wird lediglich eine prozentuale Unschädlichkeitsgrenze aufgenommen, was jedoch nicht bedeutet, dass z. B. die Eigenschaft als Bauträger/Generalübernehmer mitversichert wird. Der Versicherungsnehmer verliert mit der Öffnung der Berufsbildklausel nicht mehr vollständig seinen Versicherungsschutz, sondern es wird damit ermöglicht, dass überhaupt wieder eine „Drittschaden“-Prüfung im Rahmen der vereinbarten Versicherungsbedingungen erfolgen kann.
Die Trennung von berufsbildfremden Leistungen und dem Berufsbild von Architekten und Ingenieuren ist von großer Bedeutung. Architekten und Ingenieure sollten im Zweifel Kontakt mit dem Versicherer aufnehmen, um sich über evtl. Versicherungsmöglichkeiten bzw. auch die Grenzen des Versicherungsschutzes beraten zu lassen. Soweit Beteiligungen an Bauträgern, Generalunternehmen etc. oder Verflechtungen diesbezüglich vorliegen, sollte man sich auch mit seinem Versicherer in Verbindung setzen, um evtl. geeignete Versicherungslösungen zu besprechen. Darüber hinaus sollte in regelmäßigen Abständen überprüft werden, ob die im Versicherungsschein beschriebenen versicherten beruflichen Tätigkeiten noch den tatsächlichen, aktuellen Leistungen entsprechen, da sich die Leistungen während der beruflichen Tätigkeit aus unterschiedlichen Gründen verändern können.
Autorin:
Mona Rizkallah
Syndikusrechtsanwältin
Senior Produktmanagerin/Senior Underwriter
HDI Versicherung AG
Hannover
mona.rizkallah@hdi.de